Die Geschichte des Musikvereins Ringingen reicht von der Vereinsgründung 1931 über die namentlich erstmals erwähnten Volksmusikanten in Ringingen bis hin zu "Spielleuten mit Schwebelpfeifen" im 17. Jahrhundert in Ringingen zurück.
Hier ist unsere Geschichte in Teilen aufgearbeitet.
Hexenprozess
1603 bezichtigte man in Freudenstadt eine gewisse Barbara Tollmaier der Hexerei.
Wie die Angeklagte im Verhör aussagte, wurde sie einige Jahre zuvor von ihrem
Ehemann auf das nächtliche Heufeld hinter Ringingen hinausgeführt. Dort hätten die einheimischen Spielleute Hans Kohler und Hans Hürtig, mit der „Schwebelpfeifen“ der eine und der (Dudel-)Sackpfeife der andere, zum Hexentanz aufgespielt.
Gelehrt habe ihnen ihre Kunst, so die Tollmaierin, kein Geringerer als „der leidige Satan“ – und obendrein soll der Böse jedem von ihnen „etwa einen Taler oder Gulden gegeben“ haben.
Ob die Musikanten auf diese Aussage hin verfolgt wurden, wissen wir nicht.
Laut der Angeklagten befand sich zumindest Hans Hürtig zur der Zeit bereits außer Landes.
Lärm im Wirtshaus
Wiederum namentlich lesen wir 1753 von zwei Ringinger Spielleuten: Galli Neser und Remigi Renz waren von Schultheiß
Georg Daigger am 27. November angezeigt worden, sie hätten in der vorangegangenen Montagnacht um halb zwölf Uhr im Wirtshaus „aufgemacht“.
Er habe den beiden, so Daigger, „Stillschweigen“ geboten und sie hätten auch brav keinen „Streich“ mit dem „Geigenbogen“ mehr getan (was uns im übrigen auf den Gebrauch von Saiteninstrumenten hinweist). Aber dafür seien zwei andere
aufsässig geworden.
Augustin Ott widersetzte sich:
„Spielen sei doch keine Sünde
und der Dominikus Emele habe ihm
,nachgebäffzget´und sogar einen
neuen Tanz ausgerufen.“
Neser und Renz wurden daraufhin in die „Gewahrsame“ genommen und mussten 24 Stunden Arrest verbüßen. Wirt Julius Mayer („Untere Sonne“) kam ebenfalls nicht ungeschoren davon, er hatte einen Gulden Strafe zu sühnen.
Erste Volksmusiker
Die nächsten fünf Musiker, die namentlich hervortreten, sind 1841:
Fridolin Kraus, Martin Rueß, Johann Neser, Christian Stölzle und Sebastian Hipp.
Anders als die vorigen hatten sie jedoch nicht den Zorn der Obrigkeit herausgefordert, sondern ihre Namen sind in einer
Steuerliste erwähnt. Weil es darin heißt, die Männer würden „jeweils [!] bei Hochzeiten“ spielen, dürfen wir sie mit einigem Recht für Profis halten, die über ein Repertoire verfügten und die wohl auch regelmäßig miteinander geübt haben.
Nochmals gestützt wird diese Vermutung durch eine Beschreibung, die in einer Visitationsakte von 1841 erhalten ist. Dort heißt es über Ringingen:
„Außer den gewöhnlichen Tagen der
Fastnacht und Kirchweihe findet
Tanzbelustigung nur bei öffentlichen
Hochzeiten statt. An Sonntagen niemals.“
Christian Stölzle und Sebastian Hipp sind auch in den Steuerlisten von 1847 aufgeführt, Stölzle sogar ein weiteres Mal 1871.
Hinzu treten neue Namen, etwa Kaspar Hipp, Johann Adam Hipp, Michael Kraus oder Johann Meßmer.
Welche Instrumente diese Männer im einzelnen gespielt haben ist unbekannt.
Pfarrarchivar Johann Adam Kraus war jedoch überzeugt, der Zeitgeschmack sei inzwischen „zur Verwendung von Blechmusik
übergegangen“. Damit lag er sicher richtig. Erstens: Der 1946 verstorbene Johann Pfister hatte Kraus noch persönlich erzählt,
er, Pfister, sei 1876 als aktives Mitglied in die „damals bestandene[n] Kapelle“ eingetreten. Und Pfister war bekanntermaßen Hornist. Zweitens berichtet die Schulchronik auf Seite 37 von der feierlichen Grundsteinlegung
des neuen Schulhauses im August 1877. Dort heißt es: „die Blechmusikgesellschaft [!] spielte Stücke“. Laut Kraus hat diese Kapelle bis zum ersten Weltkrieg dann auch alle weiteren offiziellen Anlässe mitgestaltet.
Während des ersten Weltkrieges
ruhte die musikalische Tätigkeit,
„sie wurde aber nach Kriegsende
bald wieder aufgenommen und von den früheren
Mitgliedern (...) fortgesetzt“.
Bis 1931 trat die inzwischen größer gewordene Gruppe
als „Gesellschaft“ auf. Dann entschlossen
sich die Mitglieder, ihren losen Bund
in einen Verein zu überführen.
Die Gründer waren: Dirigent Karl Pfister, Meinrad Faigle,
Johann Faigle, August Dietrich, Joachim
Dietrich, Stephan Pfister, Alex Hochsticher,
Josef Dietrich (des Ignaz), Jakob Dietz, Josef
Dietrich (des Johann), Sebastian Honer
und Christian Dietrich. Außerdem traten 40
passive Mitglieder bei. Der Beschluss fiel am
3. Mai 1931 im „Adler“. Offiziell eingetragen
wurde der Verein am 31. Januar 1932.
In den „Hohenzollerischen Blättern“, lesen
wir dazu am Dienstag, 7. Juli 1931,
also einige Monate nach der Versammlung:
„Ringingen, 5. Juli. Die hiesige Musikkapelle
schloss sich zu einem Musikverein
zusammen. Der Verein zählt 47 Mitglieder,
darunter 11 Musiker. Die Instrumente der
Kapelle wurden in Stuttgart neu abgestimmt
und repariert. Auch einige neue Instrumente
wurden gekauft. Um das Geld für die Neuanschaffungen
schnell aufzubringen, übernahmen
die Musiker und Gönner der Musik
das Einheimsen der hiesigen Farrenwiese
zum Preise von 226 RM. Unsere Musikkapelle
wird sich am nächsten Sonntag in Burladingen
beim Musikfest hören lassen.“
Bei diesem „Musikfest“ handelte es sich
um das 50. Stiftungsfest des Burladinger
Musikvereins. Die Ringinger haben sich
nicht nur, wie in der Zeitung angekündigt,
„hören lassen“, sie haben außerdem mit ihrem
Stück „Am Goldenen Horn" am Wertungsspiel
teilgenommen. Belohnt wurde
ihr Wagemut „in der Anfängerstufe“ mit einem
„Ia Preis mit 65 Punkten“. Obendrein
erhielten die Wertungs-Neulinge eine Konzerttrommel
als Anerkennung überreicht.
Die Urkunde mit dem Wertungsergebnis ist
noch im Probelokal zu bewundern. Sie gilt
als das offizielle ,Gründungsdokument' des
MV Ringingen.
Sie waren bei weitem nicht die ersten, die in Ringingen musizierten. Aber sie waren die erste Ringinger Kapelle, von der wir ein Foto besitzen. Um 1911 von links: „Tanzmeister“ Christian Dietrich, Johann Dietrich, Johann Pfister, Karl Pfister („Florekarle“), Ignaz Dietrich, Karl Pfister, Josef Pfister und Markus Pfister („Merks“).
Nach den vorhandenen Informationen zu
urteilen, war die Kapelle im Dritten Reich
wie alle anderen Gruppen gleichgeschaltet
und in das Regime eingegliedert. Zu ihren
Aufgaben gehörte dann auch die Umrahmung
eines Besuchs des Kreisleiters Lüdemann.
Lüdemann sprach im Juli 1938 in
der „Rose“ über das „Aufbauwerk des Führers“
und sein Auftritt wurde, so lobten die
„Hohenzollerischen Blätter“, vom Musikverein
mit „schneidiger Musik“ begleitet. Als
Mitwirkende finden wir die Kapelle außerdem
bei zwei „Winterhilfskonzerten“ im
Burladinger Lindensaal und zwar 1933 und
1935. Schließlich aufgelöst hat sie sich nach
1939, weil die Musiker einer nach dem anderen
einrücken mussten und elf von ihnen
niemals aus dem Krieg zurückgekehrt sind.
Es war Meinrad Faigle, der 1946 den
Neubeginn wagte. Oder ihn aus purem
Egoismus wagen musste. Denn Faigle
war ein Vollblutmusiker, der offenbar ohne
Lieder und Melodien nicht sein konnte. Er
beherrschte mehrere Instrumente, hatte, wie
sein Bruder Johann, zeitweise in der Musikkapelle
Burladingen gespielt und mit ihr
1933 beim ersten Bundesmusikfest in Freiburg
an einem Wertungsspiel teilgenommen
(Oberstufe, 1a-Preis). Jetzt begann er junge
Männer auszubilden und die ausgeblutete
Kapelle neu aufzubauen. Die Burschen, denen
er in seiner Stube die Flötentöne beibrachte,
waren zunächst: Bernhard Dorn,
Georg Pfister, Josef-Anton Dieter, Sebastian
Amann, Mathias Dietmann, Engelbert Wahl, Johannn Hipp II, Josef Kramer und Josef Hipp.
Bald stießen Ehemalige hinzu, die ihre Musikertätigkeit
dauerhaft wieder aufnahmen:
August Rach, Stephan Pfister und Moritz
Dietrich.
Der neu belebte Verein hatte viel
zu tun: Nachdem die drückenden
Kriegsjahre vorbei waren, fanden
endlich wieder Hochzeiten und Feste statt.
Die Musikanten waren begehrt und hatten
zahlreiche Termine zu absolvieren. „Alles“,
erinnert sich Josef Hipp, „musste schnell gehen“.
Zum Üben blieb so gut wie keine Zeit.
Hipp: „Bei unserem ersten Trauermarsch auf
dem Weg zum Friedhof wären wir fast ,umgekippt'.
Wir hatten das Spielen und Marschieren
doch kaum proben können. Da hat
es halt geheißen: ,Ihr geht!'“. Ebenso bei der
ersten Hochzeit, welche die Kapelle 1947
umrahmte. (Anton Dieter und Anna Dietrich
schlossen den Bund der Ehe.) „Wir wollten
noch nicht spielen, aber sie wollten unbedingt,
dass wir kommen. Sieben, acht Walzer
und ein paar Schieber, daran mussten
wir den ganzen Tag runternagen. Wir konnten
doch noch nicht viel nach einem halben
Jahr.“ Im September 1948 besuchte die junge
Truppe mit Dirigent Faigle an der Spitze
das Musikfest in Hausen und marschierte beim Festzug mit.
1947, zwei Jahre nach dem Krieg. Das Leben nahm allmählich wieder seinen gewohnten Gang. Es wurde wieder geheiratet und wieder gefeiert. Entsprechend gefragt war „die Musik“. Die blutjungen Burschen sind (von links): Georg Pfister, Josef Hipp, Josef-Anton Dieter, Bernhard Dorn, Josef Kramer,
Karl Dietrich, Jakob Rist, Johann Dietz, Johann Hipp, Matthias Dietmann und Josef Wahl.
Was das Kreismusikfest 1952 für Ringingen und seine Besucher bedeutete, lässt sich am besten anhand der Fotos ermessen: Man sieht Flaggen, blumenbekränzte Fenster, hochherrschaftlich
ausstaffierte Festreiter und vor allem: Menschen,
Menschen, Menschen. Menschen, die
links und rechts der Straße drängen; Menschen,
die sich dem Festzug angeschlossen
haben; Menschen, die während des Feldgottesdienstes
betend die Hände falten.
Auf ein so farbenfrohes, sorgenfreies
Spektakel hatte die Bevölkerung lange Zeit
verzichten müssen. Und in Ringingen hatte
ein so ungeheures Fest überhaupt noch niemals
zuvor stattgefunden.
Eine Zeit lang bergab ging es hingegen
in den 50-er Jahren mit dem musikalischen
Erfolg. Aufgrund einer krankheitsbedingten Pause von Dirigent Faigle trat die Kapelle jahrelang nicht mehr zu einer Wertung an. Der Ringinger Oberlehrer
Albert Rauser und Wenzel Ruppner aus Burladingen
haben Faigle zwar vertreten, aber
dem kritischen Gehör einer Jury stellte man
sich erst wieder, nachdem Faigle geraume
Zeit zurückgekehrt war: 1961. Immerhin erzielte
die Truppe dabei auf Anhieb einen ersten
Rang und ein Jahr später, 1962, beim
Bundesmusikfest in Ludwigsburg einen 2.
Rang.
Die Musikkapelle im Jahr 1967. Bitte richten Sie ihr Augenmerk auf Bürgermeister Heinrich Hochsticher rechts neben der Trommel. Er war von 1961 bis 1976 Vorsitzender. Eine lange Zeit, zumal Hochsticher selber kein Instrument spielte. Das wiederum hat ihn nicht davon abgehalten, bei den Proben regelmäßig dabei zu sein.
Eine neuerliches Großereignis für das ganze Dorf stellte die Verleihung der „Pro-Musica-Plakette“ 1971 dar (für 130 Jahre Musikpflege). Gefeiert wurde die Übergabe an Pfingsten 1971 mit einem Konzert am Freitagabend, Festakt am Samstag,
einem großen Umzug am Sonntag und einem Kindernachmittag am Montag. Beim Umzug marschierten auch die Ringinger Schul- und Kindergartenkinder mit: In Gruppen kostümiert als Käfer und Blumen traten die Kleinsten auf; als Germanen, Musketiere, Militärkapelle,
Rokkokofräulein und Hippies präsentierten
sich die älteren Jahrgänge.
Ein weiteres großes Fest feierte man im Jahr 1979. Der Musikverein Ringingen war damals Ausrichter der ersten Musiktage der Gesamtstadt Burladingen.
Im Rahmen des ersten Stadtmusikfestes wurde Ehrendirigent Georg Faigle vom damaligen Kreisverbandsvorsitzenden Manfred Rebstock für seine Leistungen mit der Goldenen Fördermedaille ausgezeichnet.
1988 und 1997 wurden die Stadtmusiktage ebenfalls in Ringingen ausgerichtet.
Hier präsentiert sich die Truppe um den Vorsitzenden Matthias Herter vor dem Rathaus in ihren neuen Uniformen. Nebenbei bemerkt:
Herter war ebenso wie sein Vorgänger Hochsticher kein aktiver Musiker - aber ein gewissenhafter Probenbesucher.
Das 28. Kreismusikfest fand vom Samstag, 15. Juli bis zum Sonntag, 16. Juli 2006, in Ringingen statt. Es war nach 1952 das zweite Kreismusikfest, das in Ringingen ausgerichtet wurde.
Allerdings besaßen die Ringinger zu dem Zeitpunkt schon einige Erfahrung, was die Organisation von Großereignissen angeht.
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